Sein blauer Anzug strahlt im gleißenden Licht der Sonne. Das rote Cape flattert im Wind. Die Haare hat er sich mit unzähligen Tonnen an Haargel zurecht gekämmt und eine Schmalzlocke hängt ihm über der Stirn. Ein großes, rotes S auf gelbem Hintergrund in einem auf dem Kopf stehenden Dreieck verziert seine Brust. Und er hat eine rote Unterhose an! Komischer Typ. Ihr kennt ihn sicherlich. Es ist Superman, der strahlende Held aus der Comic-Welt des DC-Verlags und Quasi-Urgestein aller Superhelden. Ich kann ihn nicht ausstehen! Gerade deswegen bekommt er nun auch ordentlich von mir auf die Fresse – und zwar im neuen Beat ‚em Up von den Mortal Kombat-Entwicklern, das auf den Namen Injustice: Götter unter uns hört. Doch ihr könnt euer Hoffen auf etwaige Finisher sogleich wieder vergraben. So etwas gibt es hier nicht! Solche Brutalitäten kann man Batman und Co. schließlich auch nicht antun, oder? Als kleine Entschädigung haben sich die Jungs und Mädels von NetherRealm stattdessen ein hoch ambitioniertes Ziel bei der Entwicklung des Prügel-Spiels mit DC-Lizenz gesetzt: Erfolgreich einen spannenden Story-Modus mit einer ordentlichen Geschichte in ein Prügel-Spiel einbinden. Es gibt wohl jedoch kaum jemanden in diesem Universum, der solch einem Vorhaben seinen Segen schenken würde – die Erfahrung lehrte ja bisher stets, dass Story und Beat ‚em Ups immer so eine spezielle Sache für sich sind. Großes Drama und Prügel ist einfach nicht.
Meist werden vermeintliche Hintergrundgeschichten in solch Prügel-Spielen wie Tekken oder Dead or Alive einfach dazu genutzt, um den zahlreichen Kämpfern einen mehr oder weniger triftigen Grund zu geben, der das im eigentliche Spiel stattfindende „Köpfeeinschlagen“ legitimiert. Im Story-Modus von Injustice: Götter unter uns sieht es indes ganz ähnlich aus: Supermans Heimatstadt „Metropolis“ liegt in Schutt und Asche. Kein Geringerer als Batmans Erzfeind, der Joker, soll hinter dem Atombombenangriff stecken – mit der großen Absicht Superman zu betrügen und somit auch seine Frau und ungeborenes Kind zu töten. Die bitterböse Konsequenz: Superman tötet den clownigen Psychopathen. Doch damit ist die Wut keineswegs gestillt: Superman setzt sich das Ziel, alles Böse auf dem ihm bekannten Planeten auszumerzen oder zu unterwerfen, um anschließend mit seinen Superhelden-Kollegen eine neue (recht diktatorische) Weltordnung zu kreieren – auf Verluste und unmoralische Entscheidungen wird dabei keine Rücksicht mehr genommen. Superman muss also aufgehalten, zur Vernunft gebracht werden! Deshalb schlägt sich hier jeder mit jedem. Nun, ihr seht vielleicht selbst, dass die Ausgangsgeschichte rund um die DC-Helden keine Oscarwürdige ist. Zwar wurde die Story von Justin Gray und Jimmy Palmiotti verfasst, die euch vielleicht ein Begriff sein könnten, da die beiden schon länger als Autoren für diverse DC-Comics arbeiten. Doch schrecken die beiden Autoren nicht vor einem abgedrehten Story-Mischmasch, bestehend aus Parallelwelten, Zeitsprüngen, Rückblenden, Intrigen und verwirrenden Allianzen zwischen Gut und Böse, zurück. Klar: DC hat schon immer so sein Ding mit diesen Paralleluniversen gedreht – doch Spieler, die vom populären Comicverlag vielleicht nur Batman, Superman, gerade noch so Green Lantern kennen und nur selten Comics lesen, werden anfangs noch recht verwirrt sein. Zumal Injustice: Götter unter uns nicht mit einem weitreichenden Aufgebot an ebenso bekannten wie eher unbekannteren Helden und Superschurken aus dem gesamten DC-Universum geizt.
Im Verlauf der Handlung, die auf gute fünf bis sechs Stunden ausgelegt ist, trefft ihr demnach also nicht nur auf Batman, Superman, Wonderwoman, The Flash, Joker oder Catwoman, sondern eben auch auf Solomon Grundy, Cyborg, Hawkgirl oder Raven. Dabei nimmt sich das Spiel, vor allem in der Kampagne, zu keiner Zeit wirklich ernst. Von der richtig trashigen Story mal abgesehen: Wie sonst will mir einer erklären, dass der coole, aber menschliche Robin-Hood-Verschnitt namens Green Arrow auch nur eine Sekunde gegen den fast schon göttlichen Superman oder Aquaman im Kampf besteht? Klar, ihr erfahrt, dass der eine Batman aus dem Paralleluniversum eine recht praktische Wunderpille kreiert hat, der die Knochen und Widerstandsfähigkeit der eher menschlichen Recken um zigtausende Prozent steigert. Im „realen“ Comicleben wäre der Kampf wohl dennoch eindeutig entschieden.
Doch egal: Spaß ist in Injustice: Götter unter uns gerade wegen des gewollten Unsinns garantiert! Denn aus der Sicht eines Beat’em Up-Games gesehen, erbringt das Spiel eine außerordentlich gute Leistung. Dabei haben sich die Entwickler von NetherRealm das altbewährte Mortal Kombat-Kampfgerüst zum Vorbild genommen: In klassischer 2D-Ansicht prügeln sich die Kontrahenten in liebevoll gestalteten 3D-Hintergrund-Arenen windelweich und nutzen dabei ihr grundverschiedenen Superheldenfähigkeiten. Auch die Stärken und Schwächen der insgesamt 24 Charaktere sind klassisch nach anderen Beat‘ em Up-Vorbildern verteilt: Massige Charaktere wie Doomsday haben einen harten Schlag drauf, sind aber langsam in ihren Bewegungen, während körperlich „schwächere“ Helden wie Green Arrow auf Agilität setzen.
Da jedoch die Liste an Kombos recht überschaubar bleibt, liegt das Besondere am Kampfsystem von Injustice in den charakterspezifischen Spezialfertigkeiten, die durch einen Druck auf die festgelegte Tastenkombination angewendet werden kann. Zuvor muss jedoch ein Energiebalken aufgeladen werden, den ihr entweder durch eingesteckten Schaden oder ausgeteilte Treffer aufladet. Und wenn es dann mal soweit ist, dass entsprechender Superheld oder -schurke seine besondere Kraft entfaltet, dann erwartet euch ein Effektfeuerwerk der allerersten Güte. Denn die Spezialfertigkeiten sind, passend zum restlichen Konzept und der Superhelden würdig, so herrlich übertrieben inszeniert, dass ihr es meist im ersten Moment gar nicht glauben möchtet, was sich da gerade auf dem heimischen Bildschirm abgespielt hat. Da packt schon einmal der werte Herr Doomsday seinen Gegenspieler mit einem Ruck an der Gurgel, um ihn anschließend einmal durch den Mittelpunkt der Erde zu prügeln. Und als ob das nicht schon genug wäre, prügelt er ihn gleich ein weiteres Mal durch Erdkern, Erdmantel und Erdkruste zurück in die Arena. Bam! Das tut selbst Superman weh! Doch das war den Entwicklern an Spektakeln noch nicht genug, weshalb man wohl das sogenannte „Wager-System“ eingebaut hat, in dem es gilt einen Teil eurer Superenergie zu setzen. Dabei gewinnt stets derjenige der mehr gesetzt hat. Doch die ganze Sache mit dem „Setzen“ war mir letztendlich ziemlich schnuppe im Kampf – denn die sich während dieser Aktion abspielende Szene, in denen die zwei Kontrahenten aufeinander los stürmen, aufeinanderprallen und die komplette Arena in einer Energiewelle zerbirst, ist einfach nur cool!
Bezüglich des Kampfsystems sind vor allem auch die Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebungen der Arenen hervorzuheben, die euch im Kampf mittels einer Einblendung am oberen Bildschirmrand angezeigt werden. Jede Kampfarena hat dabei ihre ganz eigenen, persönlichen Eigenschaft, die es euch ermöglicht, eurer Gegenüber mit einem tückischen Grinsen im Gesicht gehörig eins zu verpassen. So könnt ihr beispielsweise in Aquamans Heimatstadt Atlantis an Ventilen drehen, die eine gehörige Masse an Wasser in die Visage des Kontrahenten spült oder in Bruce Waynes Bathöhle die Raketen des Batmobils aktivieren, die beim Einschlag einiges an Schaden verursachen.
Wenn ihr es jedoch noch ein wenig zerstörerischer mögt, denn sei euch gesagt, dass es ebenfalls möglich ist, denn Kontrahenten mit einem gezielten Schlag in ein komplett anderes Szenario zu schleudern. Auf dem Weg in den nebenstehenden Schauplatz kracht der Widersacher meist durch unzählige Hauswände oder anderweitige schmerzhafte Hindernisse wie Felsen oder Statuen, die durch die einhergehende Wucht restlos in tausend Stücke zerbersten. Das ist nicht nur spektakulär inszeniert und wunderbar anzuschauen, sondern bringt auch in manchen Lagen einen taktischen Vorteil mit sich – denn der Gegner muss dabei ordentlich Energie lassen. Schade in dieser Hinsicht ist jedoch die recht überschaubare Anzahl an Kampfarenen, von denen rund ein drittel dem dunklen Ritter von Gotham gebühren. Da hätte ruhig der ein oder andere freischaltbare Schauplatz dabei sein können. Sowieso fehlt es dem Spiel ein wenig an Variation – insbesondere in Bezug auf Einzelspielermodi. Neben dem Story-Modus könnt ihr noch zwei Arten von Herausforderungen bestehen, die aber recht schnell langweilig werden. Dann gibt es auch noch die sogenannten S.T.A.R.-Labs, die vor allem mit kleinen Minispielen locken, in denen ihr verschiedene, witzige Aufgaben meistert. Mehr ist leider nicht drin und das trübt die Langzeitmotivation für Einzelgänger doch sehr. Auch der Mehrspielermodus glänzt keineswegs mit einem üppigen Inhalt. Ganz im Gegenteil: Es gibt nur einen schlichten Versus-Modus. Aber das ist nicht weiter schlimm, denn allein die hervorragende Inszenierung macht das Spielen mit einem Freund an der heimischen Konsole zu einem richtig großen Spaßgarant. Manche würden sich vielleicht auch über die recht überschaubare Liste an Kombos und das damit einhergehende Fehlen an kämpferischem Feintuning beschweren. Doch einige andere werden wohl gerade diese Simplizität im Injustice-Kampfsystem sehr begrüßen. Visuell kann man jedoch zu keiner Zeit meckern: Dank der Unreal 3 Engine wartet Injustice: Götter unter uns mit einer relativ hübschen Grafik auf. Die Spezialeffekte werden euch sowieso vom Hocker hauen und auch die Schauplätze bieten einige visuellen Leckerbissen. Also: Lasset die Fäuste schwingen!
Ich hatte sehr viel Spaß mit Injustice. Das Kampfsystem ist zwar nicht komplex, dennoch sehr ordentlich umgesetzt worden, was man auch von der Grafik des Spiels behaupten kann. Die Kämpfe sind an spektakulären Einlagen kaum zu überbieten und meist herrlich überdreht – das kann einfach nur Spaß machen! Vor allem die zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten haben mir in dieser Hinsicht gefallen. Der Story-Modus bietet einige Stunden an Kurzweil und führt gut in die Spielmechanik ein. Schade finde ich die Tatsache, dass es nicht viel Auswahl an Spielmodi gibt und die Langzeitmotivation somit schnell in den Keller rutscht. Warum kann ich zum Beispiel keine neuen Arenen oder Charaktere frei spielen? Das ist verschenktes Potential. Doch sei es drum: Spätestens wenn ihr euch mit Freund oder Freundin gegenseitig die Superhelden-Unterhosen versohlt, dann habt ihr die Defizite wieder vergessen. Nun entschuldigt mich, denn Batman braucht mich – Superman hat mal wieder eine Tracht Prügel nötig!