In der tiefen Dunkelheit der Nacht durchschreite ich das Stadttor von Cassardis, mein Heimatdorf. Hinter mir erstrecken sich die gefährlichen, weiten Ebenen von Gransys, die viele fahrende Händler nur ungern alleine begehen – besonders nachts. Denn es weiß doch jedes Kind, dass sich in der Schwärze der Dunkelheit, im zwielichtigen Mondscheinlicht allerlei Ungetümer aus ihren Höhlen, Hexen aus ihren unscheinbaren Waldhütten und Geister aus ihrem tiefen Tagesschlaf hinaus in die Welt trauen. Mir läuft ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich bedenke in welch brenzliger Lage ich mich noch vor kurzem befand, als meine Vasallen und ich von einem riesiger Zyklopen im Hexenwald überfallen worden sind. Mein Herz pocht beim Gedanken an den erschöpfenden Kampf … nein, nicht mein Herz. Dem kann nicht so sein. Dieses Gefühl in der Brust … das kann nur der immer wiederkehrende Phantomschmerz sein, der mich immerzu in meinen nächtlichen Albträumen begleitet. Denn ich besitze kein Herz – nicht mehr. Ein Drache, der vor nicht allzu langer Zeit aus dem Nichts erschien und mein ganzes Dorf überfiel, hat es mir an diesem schicksalhaften Tag aus meiner Brust gerissen. Doch ich lebte und erwachte – wie auf wundersame Weise – aus dem Todesschlaf. Denn ich scheine der Auserwählte zu sein, der Erweckte. So nennen mich alle in Gransys. Sie alle kennen mich. Sehen in mir eine Art Hoffnung, verlangen stets nach meiner Hilfe. Doch seit jenem grausamen Moment, an dem mein Körper hilflos am Strandufer lag und ich in die rot-glühenden Augen der riesigen Flugechse starren musste, bin ich mehr mit der Suche nach besagtem Drachen beschäftigt. Immer wieder höre ich seine grauenvoll hallende Stimme in meinem Kopf. Er fordert mich heraus. Doch ich habe eine Ahnung, dass mir noch mehr bestimmt ist. Ein großes Schicksal erwartet mich, verbindet mich mit dem geheimnisvollen Drachen…

Erweckter, ist dir diese vorherrschende Stille auch so befremdlich?“ Meine Gedanken finden ein jähes Ende. Meine Hauptvasallin Mia Stormborn schaut mir in die Augen. „Alles in Ordnung, Erweckter?“, fragt sie schließlich. Ich zögere einen Augenblick und starre immer noch in die Dunkelheit. „Ja alles in Ordnung. Du hast recht, irgendwas stimmt hier nicht. Wo sind die Wachen? Warum ist es so neblig?“ So kenne ich meine Heimat nicht. Stets ist es hier lebendig. Stets patrouillieren Nachts die Wachen. Stets brennt ein Feuer in eines der Häuser. Doch heute scheint es eine geheimnisvolle Nacht zu sein, eine ungewöhnliche Nacht. „Kommt, lasst uns vorangehen.“ Meine Vasallen und ihnen voran Mia Stormborn folgen meinem Schritt. Mit dem kleinen, schwachen Licht meiner Öllampe eile ich auf das Ufer zu. Ein ungutes Gefühl breitet sich indes in meinem Magen, wie das ätzende Gift eines Hydrabisses, in mir aus. Nach kurzer Zeit erreichen wir den Steg, an denen allerlei Fischerboote auf den seichten Wellen des Meeres weilen. Nebel umringt das Meer und das Ufer. Auf einmal erkenne ich eine schwarze Silhoutte in den undurchdringlichen Nebelschwaden. Sie kommt auf mich zu. Und plötzlich, im Augenblick eines Herzschlags, steht eine junge, blonde Frau vor mir. Sie trägt eine schwarze Kutte und ein Haarband ziert ihre langen, gepflegten Haare. „Wer seid ihr?“, wage ich nach unzähligen Momente der Stille zu fragen. Sie antwortet mir: „Ihr … Ihr könnt mich sehen? Dann seid ihr dem Drachen vertraut, gebunden im ewigen Ring. Werdet ihr mir helfen?“ Ich zögere. Doch nur einen Moment. „Ja, ich helfe Euch.“ „So sei es denn, die Insel Finstergram erwartet Euch.“ Der Ladebildschirm folgt, Dark Arisen beginnt…

Willkommen zurück in Gransys. Es ist bereits ein Jahr her, seit dem Capcom das Rollenspiel Dargon’s Dogma veröffentlichte, welches für viele Spieler einen echten Überraschungshit darstellte. Denn es hatte ja auch nahezu alles, was ein richtiges Rollenspiel zum Begeistern braucht. Das wäre nicht nur die stimmige Story und eine tolle Atmosphäre, sondern auch eine riesige, frei begehbare Spielwelt und zu guter Letzt ein ordentlicher Umfang. Nun ist die Erweiterung Dark Arien erhältlich. Doch wie genau setzt sich diese Mischung in Dragon’s Dogma zusammen und lohnt sich das Spiel samt Erweiterung nochmal zu kaufen? Wir erzählen es euch.

Ihr erstellt zu aller Anfang, wie nahezu in jedem Rollenspiel, dank eines variantenreichen Editors euren eigenen Charakter, wobei ihr von der Augenfarbe über Größe bis hin zur Körperhalterung so ziemlich alles euren Vorlieben entsprechend verändern könnt. Danach geht es sogleich um die Auswahl der Klasse. Zu Beginn könnt ihr zwar lediglich zwischen den Berufungen Kämpfer, Zauberer und Streicher wählen, später kommen jedoch noch einmal ganze sechs Klassen wie beispielsweise der Kampfmagier hinzu. Alle haben ihrer eigenen, grundverschiedenen Vorzüge und Fähigkeiten. So schlägt der Streicher eher flink mit Pfeil und Bogen zu, wohingegen der Zauberer – wie soll es auch anders sein? – mit einem Zauberstab verschiedenste magische Sprüche vom Stapel lassen kann. Habt ihr schließlich alles nach euren Wünschen eingestellt, geht es auch schon gleich mit dem Abenteuer los. Doch Pustekuchen! Diese Sache mit dem antizipierten Heldentum löst sich gleich zu Beginn erst einmal in Luft auf. Der Grund ist ein Drache, der nicht nur euer Heimatdorf Cassardis angreift, sondern euch einfach mal das Herz aus der Brust reißt und es vor euren Augen mit gierigem Blicken verschlingt. Doch zu Ende ist die Geschichte hier noch lange nicht: Der Drache verschwindet kurz darauf und euer Held erwacht wie von Wunderhand quicklebendig in seinem Bett. Doch es war kein Traum – das Herz fehlt immer noch. Nur eine große Narbe auf der Brust erinnert an den Schmerz.

So kommt es kurzerhand, dass sich der Held auf die Suche nach seiner kostbaren Lebenspumpe macht. Denn wie ihr kurze Zeit später erfahren werdet, seid ihr der Erweckte. Und als Erweckter seht ihr euch einem nicht näher benannten Schicksal gegenüber stehen, welches es im Verlaufe des Spiels aufzudecken gilt. Dabei erwartet euch nicht nur eine lebendige und große Spielwelt sowie ein rundum gelungenes Kampfsystem, sondern auch das sogenannte Vasallensystem, welches wir so in einem Spiel noch nie gesehen haben. Vasallen sind im Prinzip KI-Begleiter, die ihr euch schon recht früh im Spiel aus einer Art Parallelwelt rekrutieren könnt. Um jedoch in jene Parallelwelt zu gelangen, müsst ihr erst einen der zahlreichen, speziellen Steine von Gransys ausfindig machen, die auch Riftstones genannt werden. Die verschiedenen Vasallen haben indes alle einen persönlichen Charakter, gehören grundverschiedenen Klassen an und besitzen meist auch individuelle Questerfahrung, die euch bei einigen Aufgaben sehr zu Gute kommen können. Außerdem sind sie recht redselig, und so sind die unzähligen Reisen nie langweilig still, es erwarten Euch also tolle Dialoge. Cool ist auch die Tatsache, dass ihr sehr früh im Spiel einen Hauptvasallen an eure Seite gestellt bekommt, den ihr ebenfalls im Editor nach euren Wünschen verändern und anpassen könnt und der euch im restlichen Verlauf des Spiels stets die Treue hält.

Auch die Quests von Dragon’s Dogma sind sehr abwechslungsreich gestaltet worden. Zwar erreichen sie in ihrem kompletten Umfang nie das gehobene Level eines Skyrims, sind aber gerade wegen ihres Variantenreichtums stets spannend. Mal müsst ihr ganz klassisch eine unterirdische Tunnelpassage von Monstern befreien, damit ein fahrender Händler diese zu seinen Reisezwecken benutzen kann. Ein anderes Mal helft ihr in der Hauptstadt Gran Soren dem Militärführer bei der Aufdeckung einer geheimnisvollen Sekte aus. So seit ihr also neben der 30 bis 35-stündigen Haupthandlung stets beschäftigt. Apropos Beschäftigung: Obligatorisches Monstergekloppe gehört auch in Dragon’s Dogma zum Helden-Alltag. Dabei sind neben der altbekannten Aufstellung an Feinden wie Banditen, Goblins, Wölfe und Harpyien auch immer wieder besondere, große Ungeheuer mit dabei, die euch meist als Zwischen- oder Bossgegener präsentiert werden und nahezu immer den Weg zum nächsten Ziel versperren. Das Besondere am Echtzeit-Kampfsystem ist die Möglichkeit euch während den Endgegnerkämpfen per Knopfdruck am Widersacher festzukrallen, um ihn anschließend zu beklettern. So könnt ihr etwaigen Schwachstellen ausfindig machen und diese mit der Waffe eurer Wahl bearbeiten. Das ist nicht nur spektakulär inszeniert, sondern spielt sich auch richtig gut. Weniger gut verhalten sich jedoch ab und an eure Vasallen-Kumpanen. Da ihr ihnen nur simple Befehle wie „Folgen“ oder „Angriff“ per Steuerkreuz erteilen könnt, passiert es schon recht häufig, dass sich eure Begleiter etwas dümmlich verhalten. Nicht selten laufen eure Begleiter der übermächtigen Armee an Feinden geradezu in die Arme – allen Rückzug-Rufen zuwider. Da sind einige Neustarts vorprogrammiert, was schon an den Nerven zerren kann. Und die Tatsache, dass es im Speichersystem keine mehrzähligen Slots zum absichern gibt und ihr dementsprechend das laufende Spiel immer nur über einen Spielstand speichern könnt, macht die Sache nicht leichter. Auch die Kamera zickt zu weilen, verkantet sich hin und wieder mal in Wänden oder Sträuchern. Das hätte man ruhig noch ausbessern können. Dafür gibt es in der Welt von Gransys einiges zu entdecken und zu tun. Unzählige Schatztruhen wollen ausgebeutet und zahlreiche Objekte gefunden werden. Beim örtlichen Barbier könnt ihr euch dann gegen das geplünderte Geld einen neuen Haarschnitt verpassen oder beim Schmied neue Waffen und Rüstungen einkaufen. Dabei ist auch das Levelsystem sehr gut umgesetzt worden. Die Erfahrungspunkte die ihr beim Durchstreifen von Gransys erhaltet, könnt ihr gegen neue Attacken oder zusätzliche Fähigkeiten eintauschen. Toll ist ebenfalls die Möglichkeit seine Klasse jederzeit gegen eine bestimmte Zahl an Erfahrungspunkten zu ändern. Dahingegen sackt die Grafik im Vergleich zum spielerischen Inhalt von Dragon’s Dogma leider ab. Trotz eines hervorragend umgesetzten Fantasy-Charmes und äußerst liebevoll gestalteten Umgebungen und Landschaften ist der technische Eindruck, vor allem im Vergleich zur starken Konkurrenz, nicht mehr als durchwachsen. Die Animationen sind meist etwas hakelig, die Texturen matschig und von den ständigen Pop-Ups möchten wir gar nicht erst anfangen. Dennoch gibt es die ein oder anderen Lichtblicke: Die Charaktermodelle gehen durchaus in Ordnung und auch einige Effekte wie Feuer oder etwaige magische Sprüche können sich sehen lassen. Es gibt hin und wieder auch den ein oder anderen tollen idyllischen Moment, wenn ihr beispielsweise an einer Klippe steht, über das weite Meer schaut und die Umrisse einer verlassenen Ruine am Horizont entdeckt.

Solche melancholischen Momente werden dann vor allem durch den grandiosen Soundtrack verstärkt. Dieser wartet mal mit sehr leisen Stücken, in denen zum Beispiel nur ein Klavier und eine weibliche Gesangsstimme zu hören ist, mal mit lauten, epischen Chören und ein anderes Mal mit sehr treibenden Trommel- und Streicherpassagen auf. Der Komponist Tadayoshi Makino hat sich hier ein gehörige Portion an Lobpreisungen verdient. Tadayoshi Makino war natürlich auch schon für den ursprünglichen Dragons Dogma-Soundtrack zuständig und auch in Monster Hunter 3 konnte er bereits eindrucksvoll zeigen, dass er die Töne zu Monsterjagden beherrscht.

Doch wie sieht es nun mit der Namensgebenden Erweiterung Dark Arisen aus. Nun, in dem Spiel steckt der gesamte Inhalt des originalen Dragon’s Dogma plus viele, viele Zusatzinhalte, sodass sich ein zweiter Ausflug in die Welt von Gransys und ein zweiter Kauf (das Add-On gibt es leider nicht einzeln zu haben, sondern nur im Gesamtpaket mit dem Original-Spiel) auf alle Fälle lohnt. Denn Dark Arisen liefert neben solchen Boninhalten wie die zusätzliche (tolle) japanische Sprachausgabe, neue Ausrüstungsgegenstände und Charakterentwicklungsstufen oder weitere Skill-Sets auch einen brandneuen Spielabschnitt, der euch auf die Insel Finstergram verschlägt. Dort gibt es nicht nur allerlei Neues zu tun und zu entdecken, sondern ebenfalls eine durchaus spannende Hauptquest zu erfüllen. Dabei gehen bei den ganzen Zusatzinhalten auch eure Vasallen nicht komplett leer aus – denn diese dürfen mit frischen Augmentationen aufpoliert werden. Das ist auch bitter nötig. Schließlich müssen 25 neuen Gegner-Typen, die euch auf Finstergram erwarten, bezwungen und überwunden werden. Alles in allem könnt ihr euch also noch einmal auf 10 bis 15 Spielstunden und unzählige frische Inhalte gefasst machen. Somit steckt sehr viel (Extra-)Rollenspiel in der Erweiterung drin, was auch für Dragon’s Dogma-Veteranen interessant erscheinen könnte. Diese können übrigens ihre bereits vorhandenen Spielstände übertragen und sich mit vielen anderen Boni wie unendlich viele Reisesteine (ein Segen für jeden Dragon’s Dogma-Spieler) begnügen. Einziger Wermutstropfen an der ganzen Sache: In Bezug auf die Technik und das KI-Verhalten hat sich leider überhaupt nichts verändert oder verbessert. Wir hätten gehofft, dass Capcom sich noch einmal kurz hinsetzen würde, um an der blassen Optik zu feilen. Daraus wurde aber leider nichts. Doch sei’s drum: Dragon’s Dogma: Dark Arisen macht auch so richtig viel Spaß. Sowohl Neulinge als auch echte Veteranen werden ihren Anreiz beim Spielen finden – und für 30 Euro sollte ohnehin jeder Rollenspiel-Fan zuschlagen. Denn der typische Fantasy-Rollenspiel-Charme ist in Dragon’s Dogma: Dark Arisen zu jeder Zeit gegeben und fängt euch bereits ab der ersten Spieleminute ein!

 

 

Was gibt es da noch groß zu sagen? Mir hat Dragon’s Dogma sehr gut gefallen und ich lege es jedem Rollenspiel- oder Fantasy-Fan ans Herz. Denn trotz seiner grafischen Macken und gelegentlichen KI-Aussetzer bietet das Spiel eine ordentliche Portion an Rollenspiel. Mir persönlich hat vor allem der Soundtrack begeistert, der in Verbindung mit den Kämpfen oder auch den etwaigen idyllischen, melancholischen Momenten eine wunderbare Harmonie eingeht, der man sich nur schwer entziehen kann. Indes fügt sich die Erweiterung Dark Arisen hervorragend ins Hauptkonzept und bietet genügend Zusatzinhalte, um auch Dragon’s Dogma-Veteranen zu locken. Neulinge sollten für den unschlagbaren Preis sowieso zuschlagen! Somit würde ich sagen: Wir sehen uns Gransys!


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Autor: Matthias Kraut

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