In unserer Gamesart-Reihe Touchscreen befassen wir uns mit einem Spiel für reine Touchscreen Geräte und präsentieren Euch hier einzigartige kleine Kunstwerke die ihr nicht verpassen solltet. Denn die Welt der App-Stores ist riesig und Perlen können hier sehr schnell unerkannt an ejnem vorbeihuschen. Heute befassen wir uns mit The Banner Saga vom Entwicklerstudio Stoic, frisch aus dem GooglePlay Store heruntergeladen.
The Banner Saga: Ein schöner Spieltitel, dem ich eine gewisse Anziehungskraft nicht absprechen kann. Vor gut 2 Jahren erschien The Banner Saga nach einer erfolgreich durchlaufenen Kickstarter-Kampagne für PC. Die internationale Presse nahm den Geheimtipp äußerst positiv auf, was meine Aufmerksamkeit freilich noch weiter steigen ließ. The Banner Saga: Dieser Titel klingt so fantasievoll, und zeitgleich ist darin auch eine subtil melancholisch Note, die irgendwo zwischen den drei Wörtern schwebt, herauszuhören. Gar als episch könnte man den von Entwickler Stoic wohl mit großer Sorgfalt gewählten Titelnamen – zumindest möchte ich zu keiner Sekunde daran glauben, dass dies nicht nur das Ergebnis eines Namensgenerators ist – bezeichnen. Ebenso klar war für mich: Hinter diesem Titel muss ein einzigartiges Fantasy-Epos stecken. Recht sollte ich behalten.
Dennoch war es mir nicht vergönnt in den Genuss der atemberaubenden und von Hand gezeichneten künstlerisch wertvollen Grafikpracht des Spiels zu kommen, bis ich es eines Tages zufällig im GooglePlay-Store wiederentdeckte. Eine Mischung aus Freude und Skepsis kam in mir auf: Eine Mobile-Umsetzung gab es also bereits auch – doch hatte ich sogleich meine Zweifel an der Qualität einer solchen Portierung, zumal Spiele-Produktionen, die ursprünglich als PC- oder Konsolen-Software gebaren, oftmals nur schwer oder gar nicht für Mobile-Geräte umsetzbar sind. Doch bei The Banner Saga scheint die Lage anders, lief ja bereits der Prototyp des Spiels schon damals auf einem iPad. Doch wie dem auch tatsächlich sein mag: Ich musste es unbedingt auf meinem Android-Smartphone ausprobieren. Ich wollte dieses besonders anmutende Taktik-Rollenspiel ja ohnehin schon immer einmal spielen. Nach einem kurzen Download befand ich mich also auf dem Titelbildschirm und kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Diese wundervoll handgezeichnete 2D-Grafikstil sucht seines gleichen. Das einzigartige Artdesign ist wahrlich atemberaubend schön und entstand in Anlehnung an Zeichnungen und Artworks von Eyvind Earl, der in erster Linie für seine Arbeit für Disney’s populären Zeichentrickfilm Dornröschen bekannt ist. Vermischt mit den elegant-geschmeidigen Animationen gehört The Banner Saga zu einen der schönsten und künstlerisch wertvollsten Games, die ich je gespielt habe.
Doch hier hören die Lobeshymnen über The Banner Saga sicherlich nicht auf. Schließlich haben die Entwickler von Stoic, die übrigens allesamt aus dem BioWare-Hause stammen, nicht umsonst eine stimmig, hochgradig ausgearbeitete Fantasy-Welt entworfen, die meiner Meinung nach sehr eigenwillig daher kommt: Statt Genre-typischen Orks, Elfen und Zwergen wird eine stark an nordische Vikinger-Mythen erinnernde Welt serviert. „Die Götter sind tot“. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken, als ich diesen Satz auf meinem Smartphone-Bildschirm las. Was wie ein düsteres Zitat aus einem preisgekrönten Fantasy-Roman klingt, ist wahrlich der Beginn der epischen Geschichte von The Banner Saga. Die Götter sind also tot, Varl (das sind gehörnte, langlebige Riesen) und Menschen waren daraufhin gezwungen ein brüchiges Bündnis zu schmieden, um die Bedrohung der bösartigen Wüter zurückzuschlagen. Doch genau jetzt, da die Sonne auf mysteriöse Weise im Himmel stehen geblieben ist, scheint die finstere Macht wieder erwacht zu sein und droht alles Leben auszulöschen. Und hier beginnt die Reise von The Banner Saga. Ich will bewusst an dieser Stelle nicht viel mehr verraten, als das man die Geschichte aus mehreren Perspektiven erlebt. Allerdings dreht sich zu Beginn alles um zwei Gruppen: Eine Reisegruppe startet im Westen der großen Karte der Welt von The Banner Saga. Diese schart sich um den adligen Varl Hakon und Ubin, einen hunderte Jahre alten Varl, der sich seine Zeit gern Historiker sich seine Zeit vertreibt. Eine andere Karawane beginnt ihre steinige Reise hingegen im Osten. Hier dreht sich alles um den Menschen sowie Jäger Rook und seine Tochter Alette, die aus ihrer Heimat zusammen mit einem Varl namens Iver und – je nach Entscheidung und Gusto – vielen weiteren Charakteren fliehen müssen: Die dunkle Schar der Wüter haben ihr Dorf überfallen.
„Eine mitreißende Erzählung, viele Emotionen birgt dieses Spiel also.“
Im Laufe der Zeit entfaltet sich eine verzwickte und zugleich spannende Story, die über Intrigen und Verrat, Liebe und Freundschaft, Magie, Legenden und das Ende der Welt erzählt, jedoch weniger durch Zwischensequenzen, als vielmehr mehr durch viele Texte und pointierte Dialoge vorangetrieben wird. Das wird aber nicht nur Freunden des geschriebenen Wortes sehr gut gefallen und aufmerksames Lesen ist zu jeder Zeit ein Muss, da man im Verlaufe des Spiels viele Entscheidungen trifft, die über Schicksale individueller Charaktere oder der gesamte Reisegruppe und auch über den Verlauf der Geschichte entscheiden. Und auch wenn ich anfangs zuweilen schnell die Übersicht über den Plot und all den üppigen Cast, gefüllt mit solch coolen Namen wie Hogr, Rook und Oddleif, verlor, so stellte sich nach kurzer Zeit bereits eine starke Bindung zu der Welt, die in The Banner Saga so großartig lebendig wirkt, und dessen Charakteren ein. Ich fieberte bis zum Schluss mit, oftmals schockiert über die Konsequenzen meiner Handlungen, über den Tod eines Charakters oder erfreut über den Erfolg nach einem schweren Kampf gegen eine Gruppe fieser Wüter. Und so warte ich nun auf den zweiten Teil der als Trilogie angesetzten Saga. Eine mitreißende Erzählung, viele Emotionen birgt dieses Spiel also. Es war als würde ich düsteres Märchen für Erwachsene lesen/spielen — was von einem als Taktik-RPG bezeichneten Spiels nicht immer zu erwarten sein dürfte. Und doch bietet The Banner Saga in Sachen Gameplay genau das: Eine Mischung aus Rollenspiel und Strategie mitsamt runden-basierten Kämpfen.
Den Rollenspielaspekt kann The Banner Saga insofern zugesprochen werden, als das man in den zahlreichen Dialogen nicht nur einschneidige Entscheidungen treffen muss, die das Schicksals der Charaktere bestimmt, sondern diese durch gesammelten Ruhm auch befördern, sprich leveln, kann. Jener Ruhm dient ebenfalls als Zahlungs- oder Tauschmittel, um beispielsweise wertvolle Vorräte zu kaufen, die auf der Reise zwischen den Hauptangelpunkten der Geschichte von der Karawane, mit jedem vergangenen Tag aufgebraucht werden. Trifft man die richtigen Entscheidungen und versorgt sein Gefolge mit genügend Nahrung, dann schließen sich mit der Zeit immer mehr Menschen, gar Varl der Karawane an. Das hat sowohl spielerischen, als auch einen eindrucksvollen visuellen Effekt: Je mehr Ruhm man anhäuft und je mehr Gefolgsleute sich der Gruppe anschließen, desto länger wird das Banner, das in leuchtendem Rot über den langen Zug aus Mensch, Tier sowie Varl flattert und im scharfen Kontrast zu den meist verschneiten 2D-Landschaft steht: Malerischer kann ein Videospiel wahrlich nicht sein. Und dann wäre da in diesem Zusammenhang auch der Soundtrack von Austin Wintory zu erwähnen. Der begnadete Komponist hat sich bereits durch einzigartigen Soundtrack zu Journey einen Namen gemacht, gar eine Grammy-Nominierung dafür erhalten. Die zahlreichen Musikstücke zu The Banner Saga sind indes nicht weniger eindringlich und melodiös, stimmen sich stets perfekt mit der visuellen Stimmung ab. Dabei orientiert sich Wintory bewusst an nordisch anmutenden Klängen, setzt oftmals – jedoch mit gekonnter Behutsamkeit – Chöre ein, denen man ihren lamentierenden, traurigen Klang nur selten absprechen kann. (GamesArt Interview mit Austin Wintory)
An The Banner Saga werde ich mich auch noch in Jahren erinnern. Denn das Fantasy-Spiel ist meiner Meinung nach außer Konkurrenz. Der Mix aus Taktik und Rollenspiel ist einzigartig und wirklich hervorragend umgesetzt. Die Geschichte um Wüter, Varl und Menschen ist spannend, nimmt mitunter epische Ausmaße an — und dabei kann man in den zahlreichen Dialogen und Ereignissen selber Einfluss auf die Handlung nehmen, sogar wichtige Charakter können als Folge sterben. Die Welt von The Banner Saga ist einzigartig und hebt sich angenehm vom restlichen Fantasy-Einheitsbrei ab. Und in Kombination mit der Zeichentrick-artigen Grafik, gemixt mit dem wohlklingenden Tönen aus Austin Wintorys Feder, wird dieses Spiel zu einem Meisterwerk!