Kunst für die Ohren:
Es ist doch so: Die meisten Videospiele der heutigen Zeit stechen vor allem durch ihre hervorragende Grafik oder ihr innovatives Gameplay aus der wabernden und immer größer werdenden Masse an Titeln heraus. Produktionen von Rockstar Games jedoch entziehen sich in nahezu allen Fällen dieser Regel. Jene Titel sind in erster Linie für die tollen, ausgearbeiteten Charaktere und nicht zuletzt für die famosen Soundtracks bekannt, für die der beliebte Spielentwickler keine Kosten und Mühen scheut. Emotion und Atmosphäre – das sind zwei wichtige Begriffe, die bei Rockstar Games hinsichtlich der musikalischen Untermalung an oberster Stelle stehen. Kein Wunder also, dass auch das letzte Projekt der New Yorker nicht nur storytechnisch überzeugen konnte, sondern vor allem musikalisch ein Kracher war. Über was reden wir hier? Klar: Max Payne 3. Schon lange nicht mehr fügte sich ein Soundtrack so hervorragend in die Story, Gameplay und Atmosphäre eines Videospiels ein, wie der von Max Payne 3. Dabei gehen die musikalischen Elemente der Serie neue Wege und entfernen sich deutlich von den einst so klangvollen Streicherarrangements und Orchestereinlagen der ersten beiden Teile. Diese Tatsache sollte jedoch die wenigstens verwundern, denn immerhin wurde die ersten beide Teile noch von Remedy Entertainment entwickelt, die eben noch andere Akzente setzten.
Rockstar Games jedoch, wollte dem dritten Teil natürlich seinen eigenen Stempel aufdrücken – und das nicht nur in stilistischer Hinsicht. So wie Max optisch, hat sich nun auch das musikalische Arrangement einer Radikalkur unterzogen: Während den mal ruhigen, aber überwiegend actionreichen Spielabschnitten gibt es häufig elektronische Loops oder blecherne Songfragmente zu hören, die sich immer wieder mit klangvollen Synthesizern und gezielt eingesetzten Percussions abwechseln. Doch lasst Euch von dieser Beschreibung keineswegs abschrecken – der Score ist dennoch eine wahre Perle. Denn an diesem unkonventionellen Stück Videospielsoundtrack war kein gewöhnlicher Komponist im klassischen Sinne am Werk. Für die insgesamt fünfundzwanzig Musikstücke, die alle zum Spielgeschehen, wie die bekannte Faust aufs Auge passen, zeichnet sich stattdessen eine Band mit dem so klangvollen Namen Health aus. Die vier Jungs aus dem sonnigen Los Angeles, die bis zu diesem Zeitpunkt noch keine große Erfahrung mit Videospielscores besaßen, haben es – unserer Meinung nach – doch tatsächlich vollbracht, einen der besten Gamesoundtracks dieser Konsolengeneration zu komponieren. Schon während des Spielens ist uns dieser neue musikalische Einschlag in die elektronische Richtung aufgefallen.
Natürlich, am Anfang hat sich da noch eine gewisse Skepsis breit gemacht und solche Fragen wie -Wird Rockstar auch musikalisch das Hohe Level der Spielserie halten können?- schwirrten in unseren Köpfen herum. Doch nach wenigen Spielminuten, heißen Schusswechseln und hitzigen Actionszenen waren all diese negativen Gedanken schnell verflogen: Die Musik passte perfekt. Jede noch so kleine Auseinandersetzung, jede noch so lange Zwischensequenz war mit stimmiger, atmosphärischer Musik untermalt und von Health mit Perfektion vertont. Dabei sind es eben in erster Linie die elektrischen Elemente, die uns in ihren Bann gezogen haben: Hier mal ein dezenter Loop, dort ein paar Gitarrensound und da mal wieder treibende Percussions, welche das Spielgeschehen noch besser zur Geltung bringen. Aber auch an die ruhigeren, emotionalen Momente des Spiel, die Max immer wieder von seiner verletzlichen, zerbrechlichen Seite zeigen, haben die Jungs von Health gedacht. Solche Songstücke wie Pain sind es, die uns in jenen Szenen schon das ein oder andere Mal in sehr melancholische Stimmung versetzten und uns hineinziehen in die Geschichte, als wären wir mitten im Geschehen und fühlen musikalisch den Schmerz des Hauptcharakters und seiner verbrannten, mit Alkohol gelöschten Seele.
Hier hat sich die Band, die eigentlich eher im Genre des Noise-Rock heimisch sind, primär um eine sehr emotionale Stimmung bemüht, die mit melodischen Synthesizern und viel Hall auch immer seine Wirkung erzielt. Vor allem der eben erwähnte Song fühlt sich an als würde man sogleich erlöst werden, gar in den Himmel empor steigen – atemberaubend! Man fühlt förmlich Max’s Schmerz und Leid – und das alles dank dem famosen musikalischen Arrangements. Doch das einschneidenste Erlebnis, an das wir immer wieder gerne zurückdenken, wenn wir auf irgendeine Weise mit Max Payne 3 in Verbindung kommen, stellt das letzte Level des Spiels dar. Es war jedoch eigentlich das Level an sich, dass uns mit solch einer Präsenz im Gedächtnis hängen geblieben ist, als viel mehr der Song Tears (ein pulsierender, treibender Elektrosong), der dieses furiose Actionfeuerwerk begleitete. Man muss sich das Ganze so vorstellen: Max liefert sich waghalsige Schusswechsel mit anlaufenden Paramilitärs, hechtet dabei in Zeitlupe von einer Deckung zur anderen während im Hintergrund dieser brillante Track läuft. Ein Wahnsinns Erlebnis. Und dieser Moment war es auch, der uns dazu bewegte diesen Soundtrack zu rezensieren – denn er sollte definitiv gehört werden.

Health haben es vollbracht: Ein perfekter Score wurde geschaffen. Wie Rockstar Games, hat es auch die Band verstanden den Stil der Serie mit einem hohen Selbstanspruch in eine andere Richtung zu lenken und dabei wirklich großes zu komponieren. Eine absolute Kaufempfehlung – auch für diejenigen, die bisher dem dritten Teil der Max Payne-Serie etwas skeptisch gegenüber standen.

