Zombies sind ja bekanntlich in aller Munde. Aus einer Zote von Horror- und Splatternerds wurde mit der Zeit ein multimediales Massenphänomen, dessen man sich schwerlich entziehen kann. Ein großer Name dieses Gammelfleisch-Hypes ist Robert Kirkman, Autor der Graphic Novel-Reihe The Walking Dead. Das Alleinstellungsmerkmal der Comics: Der blutige Kampf gegen die Fleischfetischisten steht nicht im Mittelpunkt, sondern die Frage wie sich Menschen in einer Welt verhalten, in der die Gesetze der modernen Zivilisation außer Kraft gesetzt sind. Was wird aus der Menschlichkeit, wenn wir unser Überleben der Apokalypse abtrotzen müssen? Diese Kernfrage zieht sich auch durch die TV-Adaption und dem grandiosen Episoden-Adventure von Telltale, dass weltweit Spitzenkritiken und Preise abräumte. In fünf Folgen begleiteten wir den verurteilten Geschichtslehrer Lee Everet und bauten eine in Spielen selten intensive Vater-Tochter-Beziehung zur kleinen Clementine auf. Telltales erste Staffel ging als atmosphärisches und emotional extrem dichtes Spiel in die Geschichte ein – ein Meilenstein interaktiver Erzählkunst. Nun kehren die Adventure-Experten auf ein kleines Intermezzo auf die ersten 400 Tage nach der Zombie-Infektion zurück und schicken uns einmal mehr auf die Suche nach Menschlichkeit wo keine herrscht.

400 Days erzählt in fünf Kurzepisoden á ca. 30 Minuten die Geschichten von fünf Überlebenden, die während unterschiedlichen Phasen der Epidemie mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen haben. Wir würden zu gern näher auf die Charaktere mit ihren Eigenheiten und den narrativen Gewichtungen der Episoden eingehen, aber der Reiz der Mini-Stories liegt in ihrer Unvorhersehbarkeit und den Überraschungen, die die Figuren bieten – da soll es doch mit den Untoten zugehen, wenn wir auch nur einen kleinen Teil davon spoilern!

Der eben erwähnte Reiz machte sich beim Spielen durch Momente absoluter Fassungslosigkeit bemerkbar. Regelmäßig saßen wir mit offenem Mund kopfschüttelnd vor dem Fernseher. Telltale bleibt dem hausgemachten Geheimrezept hervorragendem Story-Tellings treu. Die Dialoge sind allesamt wieder grandios geschrieben. Besonders im Hinblick auf die Tatsache, dass den Charakteren weniger Zeit eingeräumt wird sich zu entfalten. In nur wenigen Sätzen Dialog eine Person mit ihren Macken und Ängsten zu beleuchten kriegen selten Spiele auf die Reihe.

Spielerisch bleibt alles beim Alten. Zwischen den Dialogen erkunden wir eng abgesteckte Levels und interagieren mit Umgebung. Rätsel gibt in 400 Days nicht mehr! Was ein großes Manko für ein Adventure sein könnte erweist sich als kluge Entscheidung. Langwierige Kombinationsaufgaben würden die Erzählungen ausbremsen und unnötig strecken. Stattdessen hat jedes Kapitel eine andere spielerische Gewichtung, wie Schießereien oder Quicktime-Events. Ein Abschnitt hat sogar einzig und allein die Gespräche im Vordergrund, die wir durch unsere unter Zeitdruck abgegebenen Antworten und Entscheidungen beeinflussen. Wir verändern damit auch den Verlauf und das Ende von The Walking Dead: 400 Days .

In den Dialogen finden wir auch den einzigen Kritikpunkt: Spieler, die des Englischen nicht mächtig sind oder die zahlreichen Redewendungen nicht verstehen, gucken ein ums andere Mal in die Röhre. Zwar sind deutsche Untertitel vorhanden, aber die Schlampigkeit mit der die Übersetzer ans Werk zu gehen schienen ist schwer zu überbieten. Das löst auch Verwirrungen in den Dialogoptionen aus. „Töten ihm“ ist noch das harmloseste Beispiel.

Technisch gibt es nichts zu meckern. Klar, man könnte sagen, die Grafik sei detailarm, aber der gezeichnet wirkende Cell-Shading-Look kompensiert das Ganze und sorgt für Kenner der Comic-Vorlage für einen visuellen Wiedererkennungswert. Die Musik von Jared Emerald-Johnson unterstreicht, wie in der ersten Staffel, perfekt jeden spannungsgeladenen oder gefühlvollen Moment. Genauso perfekt, wie in der ersten Staffel sind auch die englischen Sprecher, die allesamt einen hervorragenden Job machen und denen man jedes Wort sofort abkauft.

 

 

The Walking Dead: 400 Days ist wahnsinnig kurz, kaum mehr als zwei Stunden! Zwei Stunden in denen wir uns keine bessere Unterhaltung hätten wünschen können. In Sachen Intensität steht dieser kleine Appetizer auf Staffel zwei der ersten in Nichts nach. Großartige Dialoge, glaubwürdige Charaktere und schockierende Wendungen. Das ist es was Telltales The Walking Dead auch mit 400 Days zu einem Meisterstück machen. Das Maß an Interaktivität mag zwar eingeschränkt sein, aber die Art und Weise wie sie in die Handlung eingebettet wird lässt uns trotzdem das Gefühl vermitteln mittendrin zu sein. Leute, die sich nicht mit der Vorlage befasst haben, werden nicht mehr als einige Anspielungen verpassen. So oder so: Kaufen!


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Autor: Tim Hildebrandt

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