Dieses Jahr wird ein Krieg ausbrechen! Die Mächtigen werden auf den Auslöser ihrer Nuklearraketen drücken und das Leben wie wir es kennen auslöschen. Städte, Menschen, Leben – alles binnen kürzester Zeit vom Feuer der Atomexplosion verschluckt. Diejenigen, die sich noch rechtzeitig retten werden in der U-Bahn Unterschlupf finden. Zumindest in Moskau. Im Verlauf der kommenden 20 Jahre werden die Überlebenden unter Tage die Metrostationen zu Städten ausbauen, werden Gesellschaftsformen bilden, Allianzen und Kriege führen und mit Hilfe von Schweinen und Pilzen Nahrung produzieren. Die durch die Strahlung unzugänglich gewordene Welt der Oberfläche wird ins Reich der Legenden eingehen – nur Bücher, Bilder und an Mythen anmutende Überlieferungen der Zeitzeugen malen ein sehr verschwommenes Bild der Vergangenheit. Die zerstörte Stadt wird den mutierten Auswüchsen der Katastrophe anheimfallen.

SPOILER ALARM:
FOLGENDER TEXT KANN WICHTIGE STORYWENDUNGEN / SPOILER ZU METRO 2033 ENTHALTEN

Behauptet zumindest Dmitry Glukovsky, Autor der Romane Metro 2033 und Metro 2034, sowie Schöpfer ihres post apokalyptischen Universums. Sowohl im ersten Roman, als auch in der ein paar Jahre alten Spielumsetzung versuchte der unbedarfte Artjom seine Heimatstation vor einer alptraumhaften Bedrohung zu retten: Die Schwarzen! Sie dringen in unser unterirdisches Refugium ein und manipulieren den Verstand der Menschen und sähen dadurch Tot und Verderben, der die ganze Metro in den Abgrund reißen könnte – und Atrjom ist nicht ganz unschuldig an dieser Misere. Nach einer abenteuerlichen Reise durch den merkwürdigen Kosmos der Metro und durch die Entdeckung einer wie durch ein Wunder unversehrten Raketenbasis konnte Artjom das Nest der Schwarzen vernichten. Metro Last Light greift dieses Ende der Geschichte und seine traurige Wendung auf: Im Moment der Raketendetonation erkennt Artjom durch eine mentale Verbindung mit den Schwarzen, dass jene furchterregenden Geschöpfe nichts anderes herbeisehenen als zu helfen. Den Menschen, die sich durch ihre eigene Hand in die Hölle gebombt haben und auch am Boden nichts anderes können als sich gegenseitig niederzustrecken, muss doch geholfen werden. Ihre telepathischen Kontaktversuche wurden missverstanden. Im Augenblick dieser Erkenntnis werden diese vernunftbegabten Wesen, wie die Menschen Jahre zuvor, ausgeräuchert. Als gefeierter Held wider Willen wird Artjom von Albträumen geplagt. Sein ehemaliger Gefährte Khan, der einziger Mitwisser was die Schwarzen betrifft, offenbart uns, dass ein kleiner Schwarzer das Bombardement überlebt haben soll. Entgegen dem Befehl seiner Vorgesetzten vom Orden der Ranger beabsichtigt der junge Held den Schwarzen nicht zu töten. Eine Möglichkeit seinen Fehler zumindest teilweise wiedergutzumachen. Doch während dieser Einfangaktion werden Artjom und der Schwarze von Faschisten gefangen genommen. Und das ist nur der Anfang einer Hetzjagd durch die Unter- und Oberfläche. Ehrensache, dass eine groß angelegte Verschwörung am Werk ist.

Last Light ist genau wie sein Vorgänger ein Ego-Shooter mit starken Schleichelementen. Bedeutet im Klartext: Wir haben die Wahl! Circa 50% des Spiels müssen wir unbemerkt durch Feind-verseuchte Areale tapern. Dabei ist es vollkommen egal, ob wir uns durch Stationen des faschistischen Vierten Reichs oder der kommunistischen Roten Linie mogeln. Ob wir uns dabei still und heimlich verhalten ist dabei ganz uns überlassen. Wir können wie ein lautloser Sensenmann durch die patrouillierenden Wachen hasten und nach und nach alles abstechen, was uns die Nase kommt, oder wir richten so wenig Kollateralschaden wie möglich an und Schlagen zu Not einen Rechten/Linken KO. Das andere Extrem steht auch zur Auswahl: Wir zücken unsere Argumentationsverstärker und sorgen bei den Wachen für ordentlich Unordnung in der ruhigen Nachtschicht.

Während sie im Schleichmodus feste Routen abspazieren, suchen sie im Gefecht aktiv Deckung, rufen schwer gepanzerte Verstärkung oder versuchen bei Sichtverlust die Umgebung aggressiv nach uns abzusuchen. Wie gesagt „versuchen“. Beim Versteckspiel legen die Gegner unfreiwillig komische Pirouetten hin und hetzen sinnentleert zum xten mal in die immer gleichen Ecken. Bei der Ex- bzw. Infiltration der militanten Gegnerfestungen ist dabei stets wichtig: Augen auf beim Metrolauf. Neben Munition und Geld warten auch optionale Ziele auf eifrige Untergrundhelden. So können wir Gefangene befreien oder Zivilisten retten, müssen das aber auch nicht. Auf neutralen Stationen können wir bei Händlern Medikits, Munition und Waffenverbesserungen kaufen. Wohl dem der die Levels gründlich durchsucht.

Spannend fallen hingegen die zahlreichen Ausflüge in die Moskauer Ruinen aus. Da die Atemluft für uns pures Gift ist müssen wir permanent eine Sauerstoffmaske tragen. Da die Luftfilter jeweils aber nur 5 Minuten vorhalten sind wir gezwungen die tote Umgebung nach Filtern zu durchkämmen, was uns unter permanenten Druck stehen lässt. „Bitte lass hinter der nächsten Ecke ein Filter sein“, haben wir allzu oft vor uns hergebrabbelt. Hinzu kommt die gefräßige Fauna, die zu Lande, zu Wasser und auch in der Luft auf der Jagd ist. Wer sich also in Sicherheit wiegt, wird schnell eines besseren belehrt. Denn so richtig tot ist Moskau nicht. Und damit meinen wir noch nicht mal die Mutanten. Geisterhafte Schatten und Visionen aus längst vergangenen Tagen lassen uns das Blut in den Adern gefrieren – besonders, wenn wir mit unserem funzeligen Feuerzeug ein düsteres Treppenhaus emporsteigen. Selten war subtiler Grusel in einem Triple-A-Titel effektiver.

Metro Last Light erzählt eine eigenständige Geschichte, die an die Geschehnisse von Metro 2033 anknüpft. Da Protagonist Artjom im Nachfolgeroman Metro 2034 nur am Rand auftritt, schrieb Dmitry Gluckovsky höchstselbst an der eigentlichen Fortsetzung seines ersten Buchs. Besonders an den Stationen bemerken wir wie gelungen die Zusammenarbeit zwischen Entwickler 4A Games und Gluckovsy ist. Die Ballungszentren strotzen vor liebevollen Details und wunderbar geschriebenen Dialogen, die uns zum Verweilen einladen und die zum schneiden dichte Atmosphäre des Spiels in uns aufsaugen lassen. Kinder, die mit ihrem Lehrer über ausgestorbene Tiere, wie Vögel oder Elefanten sprechen; Freunde, die den Verlust eines Kameraden mit Alkohol ehren; Züchter die zufrieden ihre Schweinezucht begutachten.

Das Spiel platzt vor Gesprächen, die allesamt eine Botschaft vermitteln und trotz der mitschwingenden Melancholie den Humor nicht außer Acht lassen. Last Light ist ein Paradebeispiel für stimmiges Writing jenseits der Hauptstory. Apropos: Die Geschichte ist mit ihren gut gezeichneten Figuren und erinnerungswürdigen Momenten überaus gelungen und hält einige Überraschungen parat. Einige Elemente werden Kenner des Universums schmunzeln lassen. Neueinsteiger werden sich hingegen ein ums andere mal am Kopf kratzen. So wie wir als wir erst durch Recherche erfuhren, dass Last Light über Moralsystem die Handlungen des Spielers mitschreibt und, so wie in Bioshock, das Ende entsprechend anpasst. Mimen wir im Spielverlauf Rambo und schießen alles über den Haufen erleben wir ein Ende, dass uns ganz schön bedröbbelt vor dem Bildschirm zurücklässt. So ein unbefriedigendes und schnell abgefrühstücktes Ende ist für ein Spiel, dass so gern Themen auf der Metaebene anreißt einfach ungenügend. Lassen wir in den Schleichabschnitten jedoch keine Leichen zurück, sind spendabel zur Zivilbevölkerung, hören deren Gespräche fleißig mit und reagieren bei moralischen Entscheidungen gnädig , werden wir mit dem guten Ende belohnt. Belohnen ist dabei das richtige Wort: Das gute Ende muss man sich verdienen, ist aber auch entsprechend geschlossen, erklärt wesentlich mehr und sorgt dadurch für einen runden Abschluss der Geschichte. Technisch gibt sich Metro Last Light keine Blöße. Charaktermodelle und Animationen wirken sehr glaubwürdig und auch die Effekte machen mit Hitzeflimmern und voluminösen Partikeleffekten einiges her. Auch die Lichtstimmung gehört mit ihren dynamischen Schattenwürfen zum Besten was dieser Konsolengeneration passiert ist. Allerdings wird die scheinbare Makellosigkeit von stellenweise geringer Weitsicht und breiigen Texturen getrübt. Die leistungsstarke 4A Engine kitzelt alles aus Xbox und PlayStation heraus – alles, aber nicht das absolute Optimum. Der Sound schließt sich dem atmosphärischem Gesamtbild an. Das direktionale Sounddesign lässt uns jede Tonquelle präzise lokalisieren. Vor allem wurden die Sounds an sich verbessert. Im Vorgänger wurden wir mit Waffensounds von der Stange abgespeist. Nun werden wir mit knackiger Knallkulisse entschädigt. Auch die Musik weiß zu überzeugen. Das emotionale Metro-Theme kehrt zurück und spiegelt Artjoms schuld-behafteten Charakter toll wieder. Ebenfalls auf der Besser-gemacht-Liste sind die Sprecher zu vermerken. Die Synchronsprecher agieren allesamt professionell und niemals affektiert. Alle Soundpunkte werden folglich mit einem Smiley versehen.

 

 

Metro Last Light ist eine Stimmungsgranate. Jeder Winkel des Spiels ist vollgestopft mit stimmungsvollen Details und die Dialoge gehören zur Créme de la Créme – insbesondere bei geradlinigen Shootern. 4A Games rahmt die Ereignisse mit technischer Brillanz ein. Einzige Kritikpunkte verbleiben die öden Bosskämpfe und die KI-Aussetzer, die man durchs leichtere Schleichen aber auch gut umgehen kann. Alles in allem erlebt ihr mit Last Light 8 Stunden außerordentlich gute Unterhaltung mit der ihr garantiert nichts falsch macht.


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Autor: Tim Hildebrandt

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