Mit Freunden ist es immer noch am schönsten. Liebhaber von Multiplayer-Spielen werden diese Redewendung verstehen, die von kooperativen Shootern umso besser. Sich mit einem Kumpel durch den höchsten Schwierigkeitsgrad eines Gears of War zu kämpfen ist nervenzerrend und stellt jede Freundschaft vor eine harte Probe. Taktiken wollen abgesprochen und Verständnis für tödliche Fehltritte des anderen wollen aufgebracht werden. Die Halo-Reihe gehört, wie ihre Third-Person-Schwester aus dem Hause Epic zu genau dieser Kategorie. So gut die Solo-Kampgnen auch sein mögen, geht doch nichts über gemeinsames Leiden und Jubeln. Halo 5: Guardians legt einen besonderen Fokus auf eine Koop-Erfahrung, sind die beiden Protagonisten der Handlung, Serienheld Master Chief und sein von der PR als Gegenspieler hochstilisierte Spartan Locke, doch nie alleine unterwegs. Sie befehligen jeweils einen Vierertrupp und wir haben uns mit einem Freund ins Getümmel gestürzt.

„Halo 5 schafft es aber, dass wir bisweilen froh sind, wenn eine weitere Gegnerwelle endlich weggebrutzelt ist.“

Ein Wort zu Story: Wir werden im Zuge dieser Review die Geschichte nur anschneiden und lediglich einige wertende Worte abgeben. Nur so viel: Die Handlung lässt erwartungsfreudige Fans im Regen stehen, schließt nicht eingeweihte wortlos aus und durch das Ende verpufft die Marketing-Kampgne rund um die Jagd nach dem Master Chief, der zum Verräter an der Menschheit gebrandmarkt zu sein scheint, zu einem kleinen Häufchen Asche. Mehr zu diesem Thema findet Ihr demnächst in einem GamesArt Special!

In der je nach Schwierigkeitsgrad 7-12 Stunden langen Kampagne muss Spartan Jameson Locke den ungehorsamen Master Chief und sein Team aufspüren und nach Hause bringen. Der Chief wiederrum jagt der Vision einer tot geglaubten Bekannten hinterher. Dass es dabei zu regen Schauplatzwechseln kommt versteht sich von selbst. Raumstationen, Stadtgebiete, Dschungel- und Eisplaneten sind ebenso vertreten wie die sehr elegant und kalt anmutenden Riesenkonstrukte der Blutsväter. Am liebsten würden wir ja eine Staffelei und eine Leinwand aufstellen und den Pinsel schwingen, aber Feinde machen uns das Leben schwer. Kenner des Vorgängers erleben hier wenige Überraschungen. Das außerirische Allianz-Pack besteht immer noch aus Grunts, Eliten und Schakalen, die jeweils unterschiedliche Kampftaktiken erfordern. Reges Umdenken ist also Pflicht, je höher der Schwierigkeitsgrad angesetzt ist. Zwar kommen lediglich nervige Jetpack-Schakale als Neuzugang hinzu, spannend sind die Scharmützel aber dennoch. Vor allem durch die serientypisch hervorragende künstliche Intelligenz der Gegnermassen ist jeder Schusswechsel dynamisch. Feinde preschen vor und flankieren uns, wenn sie Schwachstellen ausmachen oder ziehen sich zurück, um sich zusammenzurotten falls wir Druck machen. Gleiches gilt für die mechanischen Prometheaner: Nicht viel Neues, trotzdem tödlich und spielerisch dynamisch, weil jede Gegnertyp anders in die ewigen Jagdgründe geschossen werden will. Auffällig: Die Widersacher tauchen nun in viel größerer Stückzahl auf als früher. Das ist dem offeneren Leveldesign geschuldet, dass uns genug Platz für taktische Winkelzüge bietet. Das müssen wir beherzigen, besonders, wenn kampfstarke Zwischen- und Endgegner ordentlich mitmischen.

Um dieser Übermacht entgegentreten zu können müssen die Spartans untereinander zusammenarbeiten. Abgesehen von der anfänglichen Bewaffnung sind zwar alle Teammitglieder gleich. Allerdings hat Entwickler 343 Industries den Supersoldaten einige neue Tricks mit auf den Weg gebracht. So wandern wir nicht sofort ins Game-Over-Land, wenn wir zu viel Plasma geschluckt haben, sondern haben noch einige Sekunden Zeit, in der wir nach unseren Kameraden rufen können. Die kommen meist eifrig zu unserem getroffenen Körper geeilt, um uns wieder auf die Beine zu pumpen. „Eifrig“ heißt in diesem Zusammenhang, aber auch Treudoof: Gehen wir zu Boden latschen die Kumpane oft genug in die ballernde Gegnerhorde oder lassen sich mir nichts dir nichts einer nach dem anderen über den Haufen schießen. Die KI der Kollegen ist also verbesserungswürdig, funktioniert aber eigentlich ganz gut. Mit menschlichen Mitspielern kann man dieses Problem umgehen. Da kann man einfach ins Headset blaffen oder vor einer Todesfalle warnen. Die Spartans haben aber noch mehr gelernt. Locke und Co. sind agiler als früher. Springen wir auf einen Vorsprung zu zieht sich der, ähnlich wie in Call of Duty, elegant hoch. Das kommt dem ohnehin schon sehr dynamischen Spielgefühl aus butterweicher Steuerung und spannenden Kämpfen ordentlich zu gute. Aber damit nicht genug: Springen wir hoch genug und halten dabei die Schlagtaste gedrückt, schweben wir für einen Moment in dem wir uns unseren genauen Landeplatz aussuchen, auf den wir mit einem Knall überrumpelte Gegner aus den Latschen Arschbomben können. Fans von American Football drücken beim Zusprinten auf einen Fiesling die Schlagtaste und bodychecken die Nervensägen aus dem Bild. Das sind praktische Fähigkeiten, die nicht nur unser Kampf-Repertoire erweitern, sondern versteckte Gänge und Räume in den Levels freimachen, in dem Wände einfach niederrammen. Toll gefallen uns auch Details, wie ein kurzzeitiges Schweben, wenn wir bei einem Sprung auf die Zoomtaste drücken, was ein schnelles Abtauchen nach kurzen Feuerstößen ermöglicht. Auch das Rutschen erweist sich bei schneller Deckungssuche als nützliche Neuerung.

Das klingt doch einem totsicheren Hit oder? Dem wäre auch so, wenn uns nicht eine Sache wahnsinnig nerven würde: Das Missionsdesign. Wenn ein Entwickler von mir einen Preis in der Kategorie „Faulsten Missionsdesigner der Welt – ihr habt euch wohl vom Stricken inspirieren lassen“ bekäme, dann die Leutchen von 343 Industries. Klar, von einem zum anderen Ende des Levels zu laufen und dabei Myriaden Gegnergetiers zu plätten, machen auch zig andere Spiele. Halo 5 schafft es aber, dass wir bisweilen froh sind, wenn eine weitere Gegnerwelle endlich weggebrutzelt ist. Manchmal (ganz besonders im letzten Drittel des Spiels) schmeißt uns 343 die immer gleichen Pappkameraden vor die Flinte. Das streckt die letzten Level der Kampagne künstlich worunter auch die Spannung leidet. So wird aus dem herausfordernd amüsanten Koop-Abend auf Legendär, ein Feierabend, den ich mehr mit Arbeit als mit entspannender Unterhaltung verbinde. Und wenn es mal andere Missionsziele als „Gehe zu Punkt XY“ gibt, bekleckert sich das Spiel auch nicht mit Ruhm, wenn es heißt „Schieße 5 Energiekerne kaputt“. Und das nicht nur einmal. Dass wir regelmäßig auch in Fahr- und Flugzeugen durchs Gegnerland explodieren, macht das Debakel nicht besser. Besonders im Anbetracht des ewigen Wächters. Dieser haushohe Schwertschwinger wird so oft als Endgegner recycelt, dass ich weder den Biomüll noch Klopapier anschauen kann, ohne an diesen Running Gag, oder um im Thema zu bleiben, Fighting Gag denken zu müssen.

Jetzt aber genug Gemäcker! Denn bei der Präsentation hat sich 343 Industries wahnsinnige Mühe gegeben. Die bereits erwähnten Planeten sehen alle unglaublich gut aus. Besonders Genesis sieht mit seiner verspielten Flora, den satten Farben und der wunderschönen Lichtstimmung absolut malerisch aus. Auf den Wüstenarealen von Sanghelios werden wir von riesigen Felsformationen und Statuen beeindruckt. Die Außenlevels sind aber nicht die Einzigen Glanzstücke der Optik. Das Spiel zeigt uns auch unsagbar weite Panoramen mit gigantischen sich bewegenden Blutsvätermaschinen, die uns in ihrer Epik umhauen. Gegen diese Größe und Verspieltheit stinken die Innenlevels mit ihrem sehr klinischen Aussehen ziemlich ab. Aber auch hier schafft es das Licht- und Farbenspiel der Grafikengine nichts hässlich aussehen zu lassen. Auch Explosionen und Feuereffekte können sich sehen lassen. Einzig die Animationen sind auf die Distanz doch recht ruckelig geraten. Ein Kompromiss, den man für die volle Auflösung von 1080p und stets konstanten 60 Bildern in der Sekunde eingehen musste. Das ist aber nicht schlimm, denn auch bei hohem Gegneraufkommen und augenbetäubenden Effektgewitter flutscht das Geschehen stets flüssig über den Bildschirm. Spitze gefallen uns die Charaktermodelle. Besonders in den gut inszenierten Cutscenes sehen wir feinstes Performance Capturing und detaillierte Gesichter in Action. Auch akustisch ist Halo 5 auch Spitze. Die Waffensounds und Effekte wummern sehr direktional aus der Anlage und lassen unsere Nachbarn hochschrecken. Alles klingt sehr druckvoll und richtig. Das konnte Halo mal gar nicht. Genauso wenig wie deutsche Übersetzung und Synchronisation. Ein Glück, dass auch diesmal die Sprecherriege aus Halo 4 vertreten ist, die mit vielen bekannten Neuzugängen, wie den Synchronstimmen von Vin Diesel und Ben Affleck echtes Kinoflair versprühen. Aprorpos Kinoflair: Der Soundtrack von Komponist Kazuma Jinnouchi schafft es zum einen mit aufbrausendem Orchester jede Situation des Spiels perfekt zu untermalen, jongliert aber diesmal, im Gegensatz zu Neil Davidge im vierten Teil auch auf die originalen Titelthemen der Reihe zurück. Wer also im Hauptmenü gleich zu Anfang den berühmten Halo-Choral hört, erlebt ein wohliges zu Hause-Gefühl.

 

 

Aus der Story-Kampgne von Halo 5 ein Highlight herauszupicken ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Alle Features ergeben ein sehr organisch wirkendes Ganzes. Wer mindestens einen weiteren Bekloppten kennt, könnt ihr mit bis zu vier Spielern die Handlung angehen – und auf Legendär ist das eine echte Herausforderung, die es zu meistern lohnt. Die Kämpfe und die Steuerung funktionieren so hervorragend wie eh und je und die Präsentation hat im Vergleich zum Vorgänger noch eine Schippe drauf gelegt. Keine Schippen gab es für das unsagbar langweilige und im Spielverlauf unerträglich repetitive Missionsdesign. Egal, wie enthusiastisch die Mitspieler drauf sind, irgendwann hat man von der tausendsten Gegnerwelle die Schnauze voll, vor allem eine halbe Stunde nachdem unser Charakter die erlösenden Worte „das waren die letzten Prometheaner“ von sich gab. Massig Schippen müssen wohl die Autoren bei der Handlung abgetragen haben. Flache Charaktere, wenig bis gar keine Erklärungen für Nichtkenner und und und… Halo-Fans bekommen mit Halo 5: Guardians also ein echtes Halo: Mit vielen kleinen praktischen Neuerungen, den geerbten Stärken der Reihe, aber auch mit verschleppten Schwächen und einer enttäuschenden Geschichte


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Autor: Tim Hildebrandt

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