Wir erinnern uns: Im ersten Modern Warefare macht sich der russische Ultranationalist Imram Zakhaev einen arabischen Terrorfürsten zu Nutze, um dem Westen einen herben Schlag zu verpassen und nebenbei seine Macht im ideologisch geteilten Russland zu festigen. Im Finale konnten wir einen Atomschlag gegen die USA verhindern und Zakhaev ausschalten. Sein Protegé Vladimir Makarov schafft es im zweiten Teil die USA gegen Russland auszuspielen. Dass dieser von einem militanten US-General angeheuert wurde verstehen wir durch die wirr erzählte Handlung erst nach dem dritten Hinschauen. Genannten General konnten wir, schwer verletzt, besiegen. Der vom untergetauchten Makarov angezettelte Krieg zwischen den Großmächten tobt in Modern Warefare 3 weiter. Die in Washington geschlagenen Russen stehen nun vor den Toren New Yorks. Hier muss die Einheit von Delta-Force-Mann Frost für Ruhe sorgen. Später besucht er, dank Makarovs teuflischen Plan einen Dritten Weltkrieg vom Zaun zu brechen, u.a. nach Paris, Hamburg und Berlin, um dort wichtige Persönlichkeiten zu retten bzw. einzukassieren. Währenddessen geht es für die aus den Vorgängern bekannten Mitglieder der Task Force 141, Captian Price, Soap MacTavish und Nikolai von ihrem Versteck in Nordindien nach Somalia und Prag, um Makarovs Handlanger dingfest zu machen. Für optischen Bombast ist in den Levels also gesorgt.

In den ersten Spielminuten nach dem Prolog, in dem noch mal die Ereignisse aus den Vorgängern beleuchtet werden, finden wir uns in New York wieder. Es gilt einen Störsender zu sprengen. Die Russen schießen vom Hudson River aus den Big Apple in Stücke – und wir sind mittendrin! Überall explodiert es, werden Löcher in Wolkenkratzer gerissen. Sofort werden wir von den ersten Angriffswellen unter Feuer genommen. Dabei schmeißt einen MW3 ins kalte Wasser. Ein Tutorial-Level, wie die aus dem Vorgängern berühmte „Grube“, in der unser Können beurteilt und ein Schwierigkeitsgrad empfohlen wird, fehlt. Die Feinde bekommen von uns kräftig Kontra. Wir kämpfen die Wall Street frei und machen uns auf dem Weg auf das Dach, auf dem sich unser Zielobjekt befindet.

Auf dem Weg strecken wir unzählige Widersacher nieder, die ihre mangelnde Intelligenz, zumindest in den höheren Schwierigkeitsgraden, durch überaus zielsicheres Schießen und vor allem pure Masse ausgleichen. Dadurch wirken die Feindhundertschaften des Spiels wie ein Heer von Pappkameraden, sodass MW3 stellenweise wie eine Schießbude daherkommt: Mir nichts dir nichts, erledigen wir innerhalb weniger Minuten eine ganze Kompanie. Aber keine Sorge, das restliche russische Militär wartet schon. Nach der Sprengung des Senders müssen wir an Bord eines Black Hawk um feindliche Helikopter mit der Minigun vom Himmel zu holen, während wir vor ihnen durch die Straßenschluchten Manhattans fliehen. Der Rundflug endet als einen abstürzend taumelndes Feinvehikel uns rammt und unser Gefährt scheinbar zum Absturz zwingt – aber der Pilot kriegt sein Baby noch rechtzeitig in den Griff.

Der beschriebene Level ist, wie die gesamte Kampagne atemlos und rasant inszeniert. Immer wieder prasseln Gegnergruppen auf uns ein und ständig werden wir vorangetrieben, hoffend das nächste große Highlight zu erhaschen, von denen es beileibe nicht wenige gibt: Sei es die flotte Bootsjagd über den Hudson River, wobei wir durch die detonierende Feindarmada sausen, eine Hatz durch die Londoner U-Bahn-Tunnels, der beeindruckende Anflug auf das besetzte Hamburg oder, oder, oder…

In dieser Hinsicht übertrumpft Modern Warefare 3 seinen Vorgänger um Längen und schafft so erinnerungswürdige Momente. Um den spielbaren Dauerstress etwas aufzulockern gibt es ein Wiedersehen mit der Hailfire-Drohne und der AC-130. Schleicheinsätze kennt MW3 auch. Die fangen zwar subtil an, verkommen nach kurzer Weile aber doch zu stumpfem Straßenkampf.

In Einsätzen der verleumdeten Task Force 141 steuern wir nicht, wie früher, einen der beiden Haudegen Price und Soap, sondern den Neuzugang Yuri. Wo der auf einmal herkommt und was seine Motive sind bleibt viel zu lange im Dunkeln. Wie in Modern Warefare 2 fragen wir uns allzu oft, wer wir sind und wo der fehlende Sinn des Ganzen endlich um die Ecke biegt. Zu oft sind wir (egal in welcher Rolle) nur Befehlsempfänger und Mitläufer im engsten Sinne – wir folgen nämlich ausschließlich unserem Chef. Dann und wann wünschen wir uns doch, dass von uns mehr Entscheidungsinitiative gefordert wird. Und zu oft geht in den Missionen alles schief: In den Levels werden wir zum gefühlt hundertsten Mal vom Himmel geholt, aus dem Vehikel geschleudert oder aus den Stiefeln geholt sodass wir des Öfteren benebelt aufwachen – nur um nach allen überstandenen Repressalien entweder unser Ziel direkt vor unseren Augen abtransportieren, explodieren, fliehen oder erschießen zu sehen oder das endgültige Ableben unserer Figur zu erleben. Modern Warefare ist mal wieder nicht zimperlich mit dem tilgen seiner Charaktere in der Handlung. Gerne auch kommentarlos: Amerikaner Frost etwa kommt zum Ende hin plötzlich nicht mehr vor. Das macht die Story nicht nur lückenhaft, seine Nebenfiguren werden auch zu austauschbaren Schablonen. Obendrein leidet die eigene Motivation, wenn man nach erbrachten Leistungen einfach kein Erfolgserlebnis bekommt. Als Trostpreis setzt uns das Spiel zwar epochale Skriptsequenzen entgegen, aber das ist bekannt und gewohnt.

Bei aller Kritik hat die Story auch ihre starken Momente. So wird Makarovs Ursprung aufgedeckt und in Zusammenhang mit den Ereignissen der gesamten Serie gebracht. Überdies erfahren wir irgendwann doch wer dieser Yuri ist. Mehr darf hierzu nicht verraten werden. Nur so viel: Für die gewichtige Rolle, die ihm zugedacht ist, wurde Yuri reichlich unüberlegt und allem Anschein nach unmotiviert ins Handlungsgerüst hinein gequetscht. Trotzdem befriedigt dieser Moment, da die Geschichte deutlich an Transparenz gewinnt – wenn auch nicht an Glaubwürdigkeit. In spielerischer Hinsicht hat sich zwar nichts getan, allerdings zitieren die Entwickler Elemente aus den Vorgängern anstatt sie stumpf zu kopieren. So erinnert die Mission auf der AC-130 angenehm an die legendäre Mission „Tod von oben“ aus der ersten Serienepisode, während der Anflug auf das umkämpfte Hamburger Hafenviertel an den Auftakt von „Charlie surft nicht“ erinnert. Eine Sequenz, in der ihr es während eines Flugzeugabsturzes mit mehreren Gegnern zu tun bekommt, ist sogar vom Science-Fiction-Hit „Inception“ inspiriert, da die Schwerkraft gerne mal kippt oder gleich ganz verschwindet.

In technischer Hinsicht bleiben die Entwickler geradlinig: MW3 unterscheidet sich grafisch kaum vom Vorgänger – und der ist immerhin zwei Jahre alt! Zwar ist der Detailgrad der Charaktermodelle und der Umgebungen hoch und auch die Effekte machen einiges her, aber durch die geringe Anzahl an Polygonen erscheint das Geschehen wenig plastisch und altbacken. Da machen die derzeitigen Genre-Kollegen „Battlefield 3“ und „Rage“ eine wesentlich bessere Figur. Die Waffensounds und Explosionen knallen in sehr guter Qualität aus den Boxen und machen dadurch eine Menge Spaß. An die Klangreferenz von Battlefield 3 reicht Modern Warefare 3 aber nicht. Der treibende Orchestersoundtrack von Action-Experte „Brian Tyler“, peitscht euch durch die Szenerie und bringt echtes Blockbuster-Feeling rüber.

 

 

Das erste Modern Warefare war wegen des frischen Szenarios und neuer Ideen ein Hit. Der zweite Teil scheiterte an seiner verkomplizierten Handlung und seiner etwas gezwungenen Epik. Der dritte Teil versucht zwar erzählerisch aufzuräumen, geht aber nicht mit der nötigen Sorgfalt an die Sache. Schwer nachvollziehbare Figuren und Logiklücken sind einer bewährten Spielmechanik und einer hervorragend inszenierten Einzelspieler-Kampagne entgegen zu setzen, die echte Kino-Atmosphäre versprüht – die nach 5-6 Stunden schnell wieder vorbei ist.


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Autor: Tim Hildebrandt

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